Das BVerwG hat am 20.12.2006 die Klage des NABU Sachsen-Anhalt gegen ein Teilstück der Autobahn A 143, die sog. Westumfahrung Halle, verhandelt und den von meinem Büro vertretenen Naturschützern weitgehend Recht gegeben. Der Planfeststellungsbeschluss wurde mit Entscheidung vom 17.1.2007 für rechtswidrig erklärt.

Das BVerwG stellte fest, dass die Untersuchungen zur Frage der erheblichen Beeinträchtigungen von FFH- und Vogelschutzgebieten bei weitem nicht ausreichen.

Die deutschen Richter bezogen sich hierbei auf eine Entscheidung des EuGH vom 7.9.2004 (Herzmuschelfischerei), in der der EuGH die Anforderungen an die naturschutzfachlichen Untersuchungen in europäischen Naturschutzgebieten deutlich verschärft hat. Nach Ansicht des 9. Senats des BVerwG ist die deutsche Rechtsprechung hieran gebunden, so dass auch bei Verfahren vor den nationalen Gerichten diese Maßstäbe eingehalten werden müssen.

Konkret bedeutet dies, dass für die Frage, ob ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH- oder Vogelschutzgebietes führt, die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse angewandt werden müssen und verbleibende Zweifel zu Lasten des Projektes gehen. Erst wenn eine solche vollständige naturschutzfachliche Untersuchung durchgeführt worden ist, ist es zulässig, der Frage nachzugehen, ob ein Projekt trotz erheblicher Beeinträchtigungen wegen überwiegender öffentlicher Interessen genehmigt werden darf.

Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Planungspraxis. Bisher war es üblich, dass Erheblichkeitsprüfungen nur relativ oberflächlich durchgeführt wurden, der Planungsträger dann festgestellt hat, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann, um dann sofort in die Abwägungsentscheidung zu gehen und in der Regel das Vorhaben über die Abwägung mit den öffentlichen Interessen genehmigungsfähig zu machen. Dies ist jetzt nicht mehr zulässig, da das BVerwG eine sog. konkrete Abwägung verlangt. Das bedeutet mit anderen Worten: Nur wenn bis ins Detail bekannt ist, welche nach europäischem Naturschutzrecht geschützten Bestandteile von Fauna und Flora in welcher Intensität und mit welcher Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt werden, kann überhaupt entschieden werden, ob die für ein Projekt sprechenden öffentlichen Interessen dies überwiegen oder nicht.

Das Gericht hat auch noch einige weitere Klarstellungen im Bereich des europäischen Naturschutzrechts veranlasst. So sind über Lebensräume, die in den Erhaltungszielen genannt sind, immer auch die charakteristischen Tierarten, die zu diesen Lebensräumen gehören, automatisch mit geschützt. Sie müssen in den Erhaltungszielen also nicht extra erwähnt werden.

Der 9. Senat will dies voraussichtlich sogar auf Vogelarten ausdehnen. Im Unterschied zum 4. Senat, der den Schutz von Vögeln ausschließlich über die Vogelschutzgebiete sieht, will der 9. Senat auch Vogelarten, die charakteristisch für bestimmte Lebensräume sind und in diesen tatsächlich vorkommen, als nach dem Erhaltungsziel eines entsprechenden FFH-Gebiets geschützt ansehen.

 

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